Aktuelle Sendung: auf

Buddhismus

Bürgerradio am 22.8.24 ab 19 Uhr

Heute sprechen André Golob und Johannes Boldt mit Jasmin Kircher von Intersein Sangha Rosenheim. Johannes Boldt ist Theologe und Fachmann für Mystik, André Golob ist altkatholischer Pfarrer und Religionswissenschaftler und hat sich seit Jahrzehnten mit  Buddhismus beschäftigt.

Weitere Infos: Neuab November 24:

Tag der Achtsamkeit, jeden ersten Sonntag im Monat, 10.00 - 16.00 Uhr

Monatlicher Übungstag in der „Kunst des achtsamen Lebens“, Veranstaltungsort: Freiraum Rosenheim, Klepperstr. 18 a in Rosenheim (direkt am Bahnhof, Hinterausgang) Unkostenbeitrag 25,- €, um Dana (eine Spende) für die Seminarleitung wird gebeten. https://intersein-sangha-rosenheim.grwebsite.de/ueber-uns

Der Artikell  von André Golob:

Der Buddhismus : Seit einigen Jahrzehnten wenden sich mehr und mehr Menschen im Westen östlichen Heilslehren zu. „Buddhismus find ich cool“, diese Reaktion bekomme ich häufig von unbedarften Gesprächspartnern, wenn zur Sprache kommt, dass ich mich einige Jahre wissenschaftlich mit dem Buddhismus beschäftigt habe. In kirchlichen Kreisen wird man umso skeptischer betrachtet, ging es dabei doch um ein Studium „heidnischer“ Schriften. Was für die einen Schreckgespenst ist, wird von anderen mit naiver Faszination betrachtet. Doch schon Nietzsche und Schopenhauer begeisterte die Lehre des Buddha Siddharta Gautama (pali: Siddhatta Gotamo). Sie galt ihnen als erfrischende Alternative zu einem als trostlos oder gar bedrückend empfundenen Christentum. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wandten sich eine Menge deutscher Intellektueller enttäuscht von einem christlichen Abendland, das sich in Kriegen materiell und geistig zu zerfleischen schien, dem Buddhismus zu. Manche avancierten zu wahren Experten des östlichen Denkens wie der Sachse Ernst Lothar Hoffmann (bekannt als Lama Anagarika Govinda). Seine Abhandlung über die Grundlagen tibetischer Mystik gilt noch heute als Standardwerk. Dichtungen namhafter Schriftsteller wie Hermann Hesse waren von der Lehre Buddhas geprägt. In den Zeiten der Beat-Generation erlebte ein recht eigenwilliger Buddhismus durch die Bücher von Jack Kerouac und Gary Snyder weltweite Popularität. Heute ist es der Dalai Lama, jene unaufhörlich lächelnde Galionsfigur östlicher Weisheit, die in der abendländischen Medienlandschaft um Sympathie für den Buddhismus wirbt.

Auf Diskussionsforen traf die höchste Autorität der Gelbmützenkleriker (Gelugpa-Sekte) auf Gesprächspartner wie Joschka Fischer und Gregor Gysi. Vor einigen Jahren räumte ihm sogar die Bildzeitung eine eigene Kolumne ein. Solch Ehre ist seitens der Medien einem Papst wohl nie zuteilgeworden. Auch Bekenntnisse prominenter Stars wie Richard Gere oder Tina Turner haben zu Offenheit und Interesse am Buddhismus beigetragen. Der Weg Shakyamunis Doch der Buddhismus ist keine homogene Religion. In zweieinhalb Jahrtausenden ist aus der Lehre des Buddhas eine Vielfalt an unterschiedlichen Richtungen, Schulen und Sekten entstanden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die beiden großen japanischen Vertreter zum Beispiel, der Shin- und der Zen-Buddhismus, erscheinen gar wie zwei unterschiedliche Religionen. Dagegen sind die Differenzen zwischen katholisch und evangelisch geradezu marginal. 

Doch alle berufen sich auf den gleichen Siddharta Gautama, den Sohn eines Stammesfürsten aus der Grenzregion des heutigen Nepal (Paderia). Er lebte im sechsten vorchristlichen Jahrhundert, eine Zeit in der religiöse Erneuerungsbewegungen dem herrschenden Brahmanismus Konkurrenz machten. Und in der Tat formierte sich der Buddhismus in vielerlei Hinsicht als Reformbewegung zum damaligen Hinduismus. Viele Menschen, die sich nach einem tiefen spirituellen Erleben sehnten, scherten aus der Bahn der offiziellen Religion aus, die geprägt war von einer elitären Priesterkaste und durch rigoristische Ritualtechniken ihre Lebendigkeit verloren hatte. Der junge Siddharta, so beschreiben es die Quellen, war des fürstlichen Lebens im Palast seines Vaters überdrüssig. Mehrfach stahl er sich heimlich aus dem elterlichen Zuhause und wurde auf den Straßen der Stadt Kapilavastu erstmals mit Armut, Krankheit und Tod konfrontiert. Diese schmerzliche Erfahrung bewog ihn sich auf die Suche zu machen nach der Überwindung allen Leids. Viele Jahre suchte er als Anhänger jener Erneuerungsbewegungen auf dem Wege der Askese Heil zu erlangen. Doch keine noch so ausgefeilten Hungerkünste und rigiden Leidensrituale brachten ihn auf seiner Suche weiter. Vielleicht ein Grund dafür, dass Buddha in den Darstellungen vieler Kulturen als recht beleibt dargestellt wird. Erst als er seine asketi- schen Bemühungen einstellte und sich allein der Meditation verschrieb, überwand er das Leid und wurde durch Erwachen zum Buddha. Nach seinem Tod verlöschte er der Überlieferung nach im Nirwana, der Negation alles Negativen – dem buddhistischen „Heil“. Das Kausalgesetz Aus der anfänglichen Träumerei des frustrierten Prinzen aus dem ShakyaGeschlecht wurde eine neue Religion: die Lehre vom Mittleren Pfad.

Buddha entschied, so berichten die Quellen, seine Erkenntnisse nicht, wie andere (Pacceka-Buddhas), für sich zu behalten, sondern sie weiterzugeben. Er wollte sein Heil nicht allein auskosten, sondern den Weg dorthin mit anderen teilen. Durch Meditation, mittels einer durch kontemplative Schulung völlig konzentrierten und gebündelten Aufmerksamkeit, kann jeder Mensch losgelöst von Herkunft oder Geschlecht die Erfahrung des Erwachens machen, so seine Lehre. Buddha ist demnach alles andere als ein jenseitiger Gott, sondern vielmehr die innere Natur, die innere Realität des Menschen, zu der jeder erwachen kann. Erreicht er diesen Zustand, ist er frei von allen weltlichen Trugbildern, die die Wurzeln allen Leidens darstellen. Eine der gefährlichsten Gegner auf diesem Weg ist die Illusion eines in sich selbst existierenden Egos. Die Existenz eines Ichs oder einer Seele wird im Buddhismus verneint. Dabei bedient sich der Buddhismus traditioneller Sichtweisen des nachvedischen „Hinduismus“, ohne sich jedoch seiner Dogmatik und Metaphysik zu bedienen. Die bekannteste ist die Lehre vom Karma und der damit verbundenen zyklischen Reinkarnation. Es gibt keinen Dualismus von Geist und Materie, von Gott und Welt, vielmehr wird die Realität als ein Kontinuum von Prozessen interpretiert. Es gibt keinen göttlichen Schöpfer, sondern die Entstehung aller Phänomene resultiert aus gegenseitiger Abhängigkeit: Nichts in der Welt hat eine Identität aus sich selbst heraus, alles existiert nur im Bezug aufeinander. Kosmologische bzw. spekulative Fragen nach dem Usprung und dem Sinn des Seins stellt der Buddhismus nicht. Er versteht sich vielmehr als ein pragmatischer Weg, der mit der Erkenntnis von der Leidhaftigkeit der Welt beginnt und mit ihrer Überwindung endet. Das Rad des Leidvollen Die Vorstellung, die eigene Existenz sei nicht auf ein Leben beschränkt, die Lehre der Reinkarnation, macht den Buddhismus scheinbar für viele Menschen im Westen attraktiv. Dabei ist gerade die Vorstellung immer wieder in eine leidhafte Welt zurückgezwungen zu werden, den Buddhisten ein Greuel. Für sie ist das eigentliche Übel nicht der Tod, sondern die zwanghafte Wiederkehr, das Lebenmüssen. Ziel des Buddhismus ist es aus dem Rad der Wiedergeburten herauszubrechen, dem kausalen Vergeltungsgesetz des Karma zu entkommen und im Nichts zu vergehen. Dabei übt er keinen Druck auf die Übenden aus. Denn mancher ist aufgrund seiner karmischen Situation noch nicht in der Lage den Weg bis zum Ende zu gehen, bedarf möglicherweise noch einiger hundert Wiedergeburten bis zur Reife. Dies ist auch ein Grund, wieso Missionstätigkeiten dem Buddhismus originär fremd sind - Erkenntnis ist weder erzwingbar noch vermittelbar. 

Es darf nicht überraschen, dass aus dieser Sicht eine überlegene Haltung gegenüber anderen Religionen resultiert, wie Erwachsene sie gegenüber kleinen Kinder an den Tag legen, ohne sich dabei arrogant oder verständnislos zu erweisen. Vielmehr ist die buddhistische Haltung geprägt von einem tiefen Mitgefühl für alle im Leid verstrickte Kreaturen. Dazu gehören auch die Bewohner widriger Inkarnationsebenen, wie die Tierwelt, die Götterwelt oder auch die Hölle. Nur der Mensch ist exklusiv in der Lage aus dem Kreislauf des Werdens und Vergehens herauszubrechen. Drei bzw. vier Hauptströmungen Obwohl der Weg zum Erwachen ein individueller ist und nur im Alleingang bewältigt werden kann, gründete der Buddha Mönchsgemeinschaften (pali: bhikkhu sangha) und auf Drängen seiner eigenen Tante sogar einen Nonnenorden (bhikkuni sangha). Ein straff organisiertes und auf Almosen gründendes Ordenswesen bot einfach mehr Raum, sich voll und ganz der Meditation zu widmen und von den weltlichen Dingen unbehelligt zu bleiben. Diese Zweiteilung in Laienanhängerschaft und Ordensleute gab Anlass für die erste Spaltung des Ur-Buddhismus auf dem Konzil in Vaishali 380 v. Chr., hundert Jahre nach Buddhas Tod. Manche Teilnehmer waren überzeugt, dass jeder Mensch durch wahrhaftes Streben zum Buddha werden könne. Andere vertraten die Meinung, nur Ordensleute besäßen diese Möglichkeit, bedingt durch ihre regelmäßigen Meditationszeiten. Den Laien bliebe nur übrig, durch gute Taten Verdienste und damit positives Karma anzuhäufen und auf ein besseres Leben in der folgenden Wiedergeburt zu hoffen.

Noch heute unterscheidet man drei Hauptströmungen im Buddhismus. Eine nannten seine Gegner verächtlich Hinayana (das kleine Fahrzeug), da nur Ordensleute in ihm Platz haben. Diese Richtung wird wertfreier auch als Theravada (Ansicht der Alten) oder Shravakayana (das Fahrzeug der Hörer) bezeichnet. Diesem steht der Mahayana- Buddhismus (das große Fahrzeug) mit seiner großen Offenheit gegenüber. In Tibet und der Mongolei entwickelte sich unter Einfluss des indischen Tantrismus und Shaktismus die dritte Schule: der sogenannte Mantrayana- (das Fahrzeug der Zaubersprüche), auch VajrayanaBuddhismus (das Diamantfahrzeug) genannt. Dieser ist stark geprägt von schamanischen Einflüssen der dort beheimateten Bön-Religion und vom Glauben an den Beistand sogenannter Diamant- und Lotos-Buddhas, Bodhisattvas und diverser Heiliger (Vidyarajas und Devas), die den Menschen in ihrem Streben nach Buddhaschaft unterstützen. Eine ebenfalls spätere Entwicklung ist der sino-japanische Amidismus, in der das Erwachen nicht durch eigenes Streben erlangt, sondern durch die Gnade des Retterbuddhas Amitabha (Buddha der umfassenden Liebe) vermittelt wird. In dieser Richtung hat sich der Buddhismus von seiner ursprünglichen Lehre stark entfernt und Gautama, dem Buddha unseres Weltzeitalters, wird dort nur noch sekundär Beachtung geschenkt. Es lassen sich dabei Elemente erkennen, die dem Christentum nicht ganz fremd sind – wie z.B. der Gedanke der Gnade. Der gegenwärtige Buddhismus ist entweder traditionell gebunden an die drei orthodoxen Fahrzeuge, oder er ist gekennzeichnet durch reformistische Bestrebungen (Neobuddhismus), die entweder rein religiöser Natur oder mit säkularistischen Anschauungen durchsetzt sind. Kulturelles Beiwerk Die neue Lehre des Buddha verbreitete sich recht schnell. Auf einer Südroute erreichte der Buddhismus ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. von seinem Kerngebiet aus zunächst ganz Indien, Sri Lanka und Myanmar und gelangte über Vietnam, Laos und Kambodscha bis hin zu den Küsten Javas und Borneos. In einer zweiten Verbreitungsphase gelangte die Lehre vom 1. Jahrhundert n. Chr. an auf einer Nordroute entlang der Seidenstraße nach Zentralasien, nach China, Korea und Japan. Später dann weitete sie sich auf das Hochland des Himalayas aus, erreichte Tibet, Bhutan und die Mongolei und drang sogar nach Russland vor. In Indien selbst wurde der Buddhismus, wohl auch wegen seiner rigorosen Ablehnung des indischen Kastenwesens, ab dem 12. Jahrhundert n. Chr. mehr und mehr verdrängt und vom Hinduismus amalgiert. So wird Buddha im Vaishnavismus als neunter Avatar des Gottes Vishnu betrachtet. Ansonsten spielt er im religiösen Leben des heutigen Indien keine erwähnenswerte Rolle mehr. Ein Grund für die Expansion der buddhistischen Lehre mag in der einzigartigen Offenheit des Buddhismus zur Inkulturation gesehen werden. Die Lehre des Buddhas kennt ursprünglich kaum eigene Riten oder kultische Zeremonien. Im Pali-Kanon (der Sammlung der ältesten Schriften des Buddhismus) findet sich weder ein offizieller Akt, durch den man zum Buddhisten wird, noch eine originär buddhistische Eheschließung, wie sie andere Religionen kennen. All diese Dinge überließ der Buddhismus den jeweiligen Traditionen, auf die er traf. So konnte seine Lehre sich problemlos in jede Kultur integrieren lassen. Der Buddhismus ist diesbezüglich beispiellos flexibel, tolerant und anpassungsfähig, da sich sein spiritueller Kern stets vom kulturellen Beiwerk unberührt zeigte. Weisheit und Spiritualtät.

Der Buddhismus hält auch Einzug in unsere westliche, individualisierte Welt. Seine Sicht vom Menschen deckt sich scheinbar in hohem Maße mit ihrem Verlangen nach menschlicher Autonomie und Selbstbestimmtheit. Das relativ positive Menschenbild des Buddhismus verneint eine moralische Sündhaftigkeit des Menschen, sogar was den Bereich der Sexualität angeht. Das Übel in der Welt wird wahrgenommen als eine Fehlhaltung des Menschen, die individuell korrigierbar ist durch Einsicht und Erfahrung. Er ist in der Lage sich durch eigenverantwortliche Bewusstseinsschulung zu ändern und für sein Heil selbst zu sorgen. Eine gewisse psychologische Faszination ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Ein weiterer möglicher Grund für die zunehmende Attraktivität des Buddhismus mag in der Vorstellung liegen, dass der wahre Buddhist gleichzeitig auch ein „weiser Mensch“ ist – eine Leitfigur, ein Ideal, das unserer Welt scheinbar vollkom- men abhandengekommen ist. Nicht ohne Grund erlangen charismatische Persönlichkeiten des Buddhismus, wie der Dalai Lama, bislang unerreichte Sympathiewerte. Die Wertschätzung von innerer Reife, von Erfahrung und jahrelanger Geistesschulung ist unserem Kulturraum recht fremd geworden. Anerkennung und Achtung basieren bei uns auf kognitiven Fähigkeiten und finden ihren Ausdruck in Status, Rang und institutionalisierter Autorität. Die westlichen Reaktionen auf fernöstliche Heilslehren - so sehr sie auch von Klischees und Halbwissen geprägt sein mögen - müssen als Reagenz gewertet werden für ein unbefriedigtes Bedürfnis nach Spiritualität und religiösem Erleben. Hier sind es vor allem die Jesuiten, die dieser Tatsache Rechnung tragen wollen. Dabei machen sie wiederum Anleihen beim japanischen Zen-Buddhismus. Meditation und Kontemplation kennt auch die christliche Tradition. Doch ist ihr scheinbar im Laufe der Geschichte das technische Wissen um die Versenkung verloren gegangen. Der Jesuit Hugo Enomiya-Lasalle war, wie er in seinen Publikationen wiederholt zum Ausdruck brachte, der Meinung, dass die Zen-Methode auch von Christen mit Nutzen angewandt werden und dass die ZenMeditation zur Erlangung christlich verstandener Gotteserfahrung eine Hilfe bieten könne. Die christliche Zen-Adaption bedeutet jedoch eine radikale Loslösung vom Buddhismus und seinen religiösen Inhalten und eine Überbetonung seiner philosophischen und psychologischen Aspekte. Denn es kann keinen Zweifel darüber bestehen, das sollte vorliegender Artikel gezeigt haben, dass die Weltanschauung des Buddhismus von der christlichen grundverschieden ist. Dr. André Golob (Pfr. Dr. Golob promovierte 1998 zum Thema „Buddha und die Frauen - Nonnen und Laienfrauen in den Darstellungen der Pāli-Literatur“. Die Fotos sind von ihm)


Erstellt am 22.08.2024

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